Schreib-Tipp: Wo Bashing beginnt
„Den möcht ich jetzt durch die Gegend watschen!“, oder so ähnlich sagte man früher zum Bashing. Viele Medienleute kennen die Versuchung, der Lust zum Bashing nachzugeben. Rotraud Perner sagt dazu:
„Bashing funktioniert dann, wenn es an überprüfbaren Informationen über das tatsächliche So-Sein der attackierten Personen mangelt – und je abgehobener diese leben – oder inszeniert werden – desto mehr kann man sich über diese zusammenphantasieren: Wer schon von klein auf von seinen Bezugspersonen immer „im Dunkeln gelassen“ wurde, wird sich mit zunehmender Ermutigung (z. B. auch durch Interessensgruppen) dagegen wehren. Passende Autoritäten – meist in den mit „P“ beginnenden „Elternersatzberufen“ (Politiker, Polizisten, Professoren, Psychoberufler und – Pfarrer) – finden sich dann schon.“
Viele von uns haben vom Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche und nicht nur dort echt genug. Leider ist es nach wie vor aktuell und interessiert jene, die das lesen, hören und sehen, was wir produzieren.
„Wir dürfen nicht schweigen, denn wir alle sind Hirten“, schreibt Rotraud Perner in ihrem neuen Buch „Das Schweigen der Hirten“, das am Aschermittwoch erscheint. In diesem Buch sind nicht nur die Strukturen aufbereitet, die Missbrauch begünstigen, es ist auch eine ausgezeichnete Handreichung für alle, die beruflich oder/und privat Kindern zur Seite stehen. Und ganz praktisch: Es lassen sich gute Geschichten draus machen. Der Kontakt zur Autorin und Bestellung der kostenlosen „Briefe gegen Gewalt“: rotraud@perner.info
Besprechungsexemplare, Infos, Cover: https://www.edition-roesner.at/kontakt.html
Gabriele Neuwirth, Vorsitzende
Und hier der „Brief gegen Gewalt“ zum Thema Bashing
Briefe gegen Gewalt
Rotraud A. Perner | Nr. 13
Bashing
„Wo beginnt Pfarrerbashing? Oder Papstbashing?“ fragte mich jüngst eine Journalistin im Zusammenhang mit meinem neuen Buch „Das Schweigen der Hirten – Kirche und sexuelle Grenzverletzungen“ (edition roesner, erscheint zum Monatsende). Gute Frage! Laut Wikipedia bedeutet das Wort „öffentliche Beschimpfung“; es stammt vom englischen Wort „bash“ für „Schlag“, und dies finde ich passender: „auf jemand eindreschen“.
In Gesundheitsberufen pflegt man „Differentialdiagnosen“: Man prüft, ob die Symptome auch eine andere Krankheit bzw. Störung anzeigen könnten und arbeitet sich durch Ausschluss von Alternativen zur präzisen Erkenntnis vor. In den systemischen Therapien gibt etwas Ähnliches – die Methode „differenzieren“. Mit ihr wird überprüft, ob ein Wort auch kongruent dem entspricht, was damit beschrieben werden soll; Worte haben ja Suggestivkraft – und oft wird mit einem Alltagswort eine Tatsache verschleiert, verharmlost oder dämonisiert.
Bashing ist in meinem Verständnis mehr als eine öffentliche Beschimpfung; beides sind zwar zielgerichtete aktive Handlungen, doch das besagt noch nichts über die konkrete Form, die Absicht und die Folgen. Schimpfworte können aus der Emotion „herausrutschen“, oft im Schwall „hervorquellen“ – und diese Erregung kann auf Ärger beruhen oder auf Verzweiflung oder aber auch auf einem missglückten Scherz. Sie kann Aufforderung zum Kampf sein oder der Versuch, jemand zum Aufgeben zu drängen. Schimpfworte können eine Art Geheimsprache unter Kumpeln sein – denken wir nur an Mundl Sackbauer in der legendären TV-Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“. Auf jeden Fall sind sie aber „leichtgewichtig“ und können mit Humor pariert werden, und das lässt sich einüben.
Bashing ist viel schwerwiegender – wie schon die Alltagsfloskel „mit Schimpf und Schande“signalisiert: Schimpfen schändet nicht, es beschädigt eher die Schimpfenden, deswegen ersuchen diese auch meist sofort um Nachsicht bzw. Verzeihung, sobald sie wieder friedlich gesinnt sind. Außerdem liegt es an den Beschimpften, ob sie sich angesprochen fühlen … Allerdings wollen sich manche gerne ein Märtyrer-Mäntelchen umhängen. Und manche wollen Bashing praktizieren – dann nämlich, wenn sie auf Vernichtung – sozialen Mord – zielen. In diesem Fall werden sie weiter und weiter und immer aggressiver auf die Person oder die Gruppe einschlagen – und sich viele Argumente zurechtlegen, um ihre Berechtigung zur sozialen Hinrichtung zu verteidigen.
Von dem US-amerikanischen Psychologen George R. Bach stammt die Formel „Je weniger Information, desto mehr Aggression“ bzw. umgekehrt „Je mehr Aggression, desto weniger Information.“ Bashing funktioniert dann, wenn es an überprüfbaren Informationen über das tatsächliche So-Sein der attackierten Personen mangelt – und je abgehobener diese leben – oder inszeniert werden – desto mehr kann man sich über diese zusammenphantasieren: Wer schon von klein auf von seinen Bezugspersonen immer „im Dunkeln gelassen“ wurde, wird sich mit zunehmender Ermutigung (z. B. auch durch Interessensgruppen) dagegen wehren. Passende Autoritäten – meist in den mit „P“ beginnenden „Elternersatzberufen“ (Politiker, Polizisten, Professoren, Psychoberufler und – Pfarrer) – finden sich dann schon.
Was also tun gegen soziale Mordlust? Informationen verlangen bzw. von selbst geben (und damit meine ich nicht PR-Aktionen, sondern Dialog/e herstellen), sachlich kritisieren, Verträge abschließen. Zitiere mich selbst: „Sich vertragen heißt Verträge abschließen“ – und diese kontrollieren. Die Verträge. So geht Demokratie.
***********************************************
Alle Briefe gegen Gewalt“ finden sich auf www.haltgewalt.at.
Die laufenden können bei iss@perner.info bestellt werden.